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«Ein effizienter Umweltschutz funktioniert nur in einem marktwirtschaftlichen System»

08.01.2020 Reto Vasella

Bei den vergangenen Wahlen im Herbst ist das Parlament richtiggehend durcheinandergeschüttelt worden. So sind jetzt in der ersten Session dieser Legislatur sehr viele neue, teilweise noch unbekannte Gesichter zu sehen. Woran man mit ihnen sein wird und wie die neue Situation im Parlament generell einzuschätzen ist, darüber sprechen Hans Egloff, Präsident HEV Kanton Zürich und HEV Schweiz, und der Zürcher Nationalrat Gregor Rutz (SVP).

In der neuen Legislatur sind auffallend viele neue Gesichter zu sehen. Mit mehr als 70 Sitzen ist rund ein Drittel der beiden Räte neu besetzt worden. Ist in der Session bereits ein frischer Wind spürbar gewesen und was können die Hauseigentümer in den kommenden vier Jahren von diesem Parlament erwarten?

Gregor Rutz (GR): Die Wahlen vom Oktober 2020 brachten verschiedene Veränderungen mit sich – und dies leider nicht im Sinne des Hauseigentümerverbandes. Verschiedene HEV-Exponenten wurden nicht oder nicht mehr gewählt, was zu bedauern ist. Die neuen Parlamentarier sind teilweise sehr jung und kommen quasi direkt von der Universität. Ihnen fehlt oft nicht nur die politische Erfahrung – sie haben auch beruflich kaum einen Erfahrungshorizont. Diese Personen sind schwierig einzuordnen. Man weiss nicht, wie sie sich positionieren werden, da viele von ihnen sich noch nie in einem parlamentarischen Mandat bewähren mussten. Hier orte ich das eigentliche Problem der Wahlresultate. Es tönt zwar chic, dass das neue Parlament „jünger, grüner und weiblicher“ geworden sei. Wir müssen uns aber bewusst sein, dass die Grundlage des Erfolgs unseres Landes im Milizsystem liegt. Das Zusammenfliessen reichhaltiger beruflicher Erfahrung aus der Privatwirtschaft ermöglicht praxisnahe Lösungen. Auch Führungserfahrung aus dem Militär war immer ein wichtiger Bestandteil des Milizsystems. Heute stellen wir fest: Immer mehr Parlamentarier haben knapp ihre Ausbildung abgeschlossen. Sie bringen zwar frische Ideen, aber kaum spezifische Kenntnisse und Erfahrungen mit. Das kann langfristig ins Auge gehen.

Die Sitzgewinne der Linken könnten durchaus dazu führen, dass die bürgerliche Seite wieder eher disziplinierter zusammenarbeitet. Auf dem Papier besteht nach wie vor keine linke Mehrheit – das muss man sich bewusst sein. SVP, FDP und CVP haben in beiden Räten immer noch eine Mehrheit. Es ist einfach schwieriger geworden, weil diese Mehrheit im Nationalrat nicht mehr so deutlich ist wie in der letzten Legislatur.

Was hat das für Auswirkungen auf die politische Arbeit des Hauseigentümerverbandes in Bern?

GR: In unserem politischen System haben die Verbände eine recht starke Stellung. Das ist wichtig für den Austausch zwischen Wirtschaft und Politik. Die persönlichen Kontakte sind dabei zentral. Das gilt natürlich auch für den HEV. Wir müssen den Parlamentariern erklären, was die Hauptanliegen und die wichtigsten Argumente des HEV sind. Es gibt in dieser Legislatur viele Geschäfte, die uns stark betreffen. 

Betrachten wir etwa Vorstösse zum Thema ISOS (Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz von nationaler Bedeutung), so stellen wir fest, dass die Mehrheiten nicht einfach links oder rechts sind, sondern dass Mitglieder der Grünliberalen oder auch der Grünen diesen Anliegen durchaus offen gegenüber stehen. Denn eine Einschränkung für Veränderungen im Siedlungsgebiet betrifft nicht nur die Bauwirtschaft und damit jene, welche verdichten oder Um- bzw. Anbauten realisieren wollen. Auch Projekte und Sanierungen, welche beispielsweise auf Photovoltaik setzen und Solarpanels auf Dächern anbringen wollen, sind betroffen. Hier bestehen gemeinsame Interessen und deshalb auch Chancen, zusammen Mehrheiten zu erreichen. Dass die diesbezüglichen Vorstösse von Hans Egloff und mir Mehrheiten in den Kommissionen von National- und Ständerat erreichten, dokumentiert dies.

Das wohl wichtigste Geschäft dieser Legislatur für Hauseigentümer ist bestimmt die Abschaffung des Eigenmietwertes - einmal mehr, muss man leider sagen. Ich frage an dieser Stelle bereits seit geraumer Zeit, wann der Eigenmietwert denn endlich fällt und praktisch immer heisst es, man stehe kurz davor. Aber jedes Mal kommt irgendetwas dazwischen und die Hauseigentümer werden schliesslich auf den ‘Sankt-Nimmerleins-Tag’ vertröstet. Wie soll man das noch ernst nehmen?

Hans Egloff (HE): Dieses Geschäft wird nun erneut in einer Kommission des Ständerats behandelt werden. Ich bin davon überzeugt, dass dieses Parlament aus Sicht der Haus- und Wohneigentümer in die Geschichte eingehen wird, weil es jetzt die geradezu einmalige Gelegenheit hat, den Eigenmietwert auch tatsächlich abzuschaffen.

Das höre ich jetzt aber nicht wirklich zum ersten Mal … Die Frage sei dennoch erlaubt: Wie soll denn der zeitliche Verlauf aussehen?

HE: Aktuell werden ja gerade die Kommissionen frisch zusammengesetzt. Jetzt hängt es davon ab, wie schnell die betreffende Kommission auch tatsächlich vorwärtsmachen will. Ich bin davon überzeugt, dass dieses Geschäft Anfang Jahr starten und spätestens in der nächsten Sommersession im Ständerat zur Beratung kommen wird. Darauf dürfte es in der Herbst- oder spätestens in der Wintersession auch im Nationalrat beraten werden. 

Wenn alles den geordneten Lauf nimmt, könnten zumindest auf Bundesebene per 1. Januar 2022 die entsprechenden Anpassungen in Kraft treten. Nachher müssen aber selbstverständlich auch noch die Kantone legiferieren. 

GR: Ich teile die Einschätzung von Hans Egloff. Dieses Geschäft kann man nicht aus einer einfachen Links-Rechts-Optik betrachten. Hier können Mehrheiten geschaffen werden, denn auch dieses Geschäft beinhaltet durchaus unterschiedliche Aspekte. So wird gerade von ökologischer Seite her die Frage aufgeworfen, ob man nicht doch ein paar Abzüge erlauben sollte, während die Vertreter des HEV eher die lehrbuchmässige Lösung vorschlagen haben, dass man es komplett ohne Abzüge lösen soll. Sie sehen: Hier sind Mehrheiten möglich. Das können wir zu einem positiven Ende bringen.

Das heisst aber auch, es wird bestimmt noch lange dauern.

GR: In der Schweiz hört man oft den Vorwurf, es dauere zu lange, bis sich etwas ändert. Doch aus der Distanz betrachtet, muss man sagen, dass genau diese Langsamkeit ein Qualitätsmerkmal unseres Landes ist. Man kann nicht von heute auf morgen etwas ändern. Nur weil bei den Wahlen einige Parteien Sitze gewonnen haben, ändert nicht gerade das ganze System. Anders formuliert: Diese „Langsamkeit“ ist die Grundlage für die Rechtssicherheit und die Stabilität, die für unser Land so vorteilhaft sind. Das macht die Politik berechenbar und die Rahmenbedingungen attraktiv. Zudem hat es immer Vorteile, wenn man sich die Lösung für ein Problem gründlich überlegt und auch eine Zweitmeinung hinzuzieht. Genau so funktioniert es im Zweikammersystem. Dafür haben die getroffenen Lösungen dann auch Bestand.

Wo weiterhin eine starke Diskrepanz zwischen links und rechts besteht, ist in der Handhabe der CO2-Problematik. Was haben hier Hauseigentümer zu befürchten? Es heisst ja immer, der Gebäudepark verursache einen grossen Teil des CO2-Ausstosses.

HE: Eigentlich ist der Gebäudepark bestens auf Kurs, das heisst er befindet sich im Zielkorridor, welcher bis ins Jahr 2030 vorgegeben ist. Wir halten also den Absenkpfad ein, der für Gebäude vorgesehen ist. 

Das tatsächliche Problem ist aber der Verkehr. Leider fehlt den Politikern in der Schweiz der Mut, das auch klar auszusprechen, denn dort würden die Mehrheiten für die entsprechenden Gesetzesanpassungen endgültig verloren gehen. Deshalb gibt es diese einseitige Konzentration auf den Gebäudebereich. 

Wir müssen leider davon ausgehen, dass ab 2023 bei Sanierungen Heizsysteme mit fossilen Brennstoffen praktisch komplett ausgeschlossen werden. Irgendjemand muss das aber bezahlen und es wird bestimmt nicht so sein, dass das ausschliesslich die Hauseigentümer trifft. Alle ‘Wohnenden’ werden zum Handkuss kommen, also auch die Mieter. Wie die Kosten genau zu verteilen sind, dürfte noch Gegenstand vieler Diskussionen werden. 

Wenn die Bevölkerung die ganze Kostenwahrheit für die vom Ständerat beschlossenen Massnahmen erfährt, kann ich mir aber durchaus vorstellen, dass es ein Referendum gegen diesen Entscheid geben wird und diese Massnahmen in einer Volksabstimmung scheitern könnten. Das Fuder wurde einfach überladen.

GR: Das Fazit aus dieser Debatte scheint mir klar: Will man effektiven Umweltschutz betreiben, kann das nur in einem marktwirtschaftlichen System geschehen. Und genau dies ist der grosse Haken bei allen Vorschlägen seitens der Linken: Diese verbinden ihre Forderungen für Massnahmen zum Schutz des Klimas immer auch die Forderung nach einem Systemwechsel. Das ist komplett falsch. Schauen Sie einmal in die Vergangenheit! Sie werden feststellen, dass die katastrophalsten Verschmutzungen und Schweinereien an der Umwelt in sozialistischen Systemen stattfanden. Umweltschutz funktioniert nur in einer Marktwirtschaft, durch Innovationen, zusammen mit der Wirtschaft und den Unternehmungen. Das muss man sich einfach vor Augen halten.

Herr Rutz, Herr Egloff, ich danke Ihnen für das Gespräch.

Zur Person

Gregor Rutz

*1972, ist verheiratet und lebt in Zürich. Rutz ist Jurist und Inhaber der Agentur Rutz & Partner in Zollikon, welche auf Kommunikations- und Strategieberatung spezialisiert ist. Zudem ist er Teilhaber einer kleinen Weinhandlung. Er war von 2001-2008 Generalsekretär der SVP Schweiz, von 2000-2005 Zürcher Verfassungsrat, von 2011-2012 Zürcher Kantonsrat und ist seit Herbst 2012 Mitglied des Nationalrats. Er ist Mitglied der Staatspolitischen Kommission und der Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen des Nationalrats. Zudem ist Rutz Präsident des Stadtzürcher HEV und Vizepräsident des HEV Kanton Zürich.