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Von politischen Spielchen und der Politik des Machbaren

19.10.2022 Stefan Jungo

Mitte Juni ging in Bern die Sommersession zu Ende. Zur Sessionsnachlese traf Hans Egloff, Präsident HEV Kanton Zürich, im SVP-Fraktionssekretariat Nationalrat Thomas Matter (SVP). Im Gespräch unterhielten sie sich über aktuelle und zukünftige Themen, welche die eidge-nössischen Räte beschäftigen und die Hauseigentümerinnen und -eigentümer betreffen: die Abschaffung des Eigenmietwerts, die SRG-Initiative und nicht zuletzt den indirekten Gegen-vorschlag zur Gletscherinitiative

Thomas Matter, Sie sind Mitglied der Kommission für Wirtschaft und Abgaben des Nationalrates. Diese befasst sich aktuell mit der Abschaffung des Eigenmietwertes. Können Sie uns dazu etwas sagen?

Thomas Matter (T.M.): Die Vorlage soll im August in der Kommission fertig beraten werden. Es bestehen allerdings noch erhebliche Differenzen zu den Reformvorschlägen des Ständerates, die im September 2021 nur eine knappe Mehrheit gefunden haben. Bis diese Differenzen ausgeräumt sind, dürfte es also noch dauern. Auch besteht die Gefahr, dass die Vorlage überladen wird, so dass der Systemwechsel bei der Wohneigentumsbesteuerung am Ende – einmal mehr – bachab geschickt wird.

Zuversicht klingt anders …

T.M.: Das Unterfangen ist in der Tat schwierig. Damit die Reform bei einer allfälligen Volksabstimmung überhaupt eine Chance hat, hat die SVP die Idee eines Steuerabzugs für Mieterinnen und Mieter ins Spiel gebracht. Demnach soll ein Teil der Mietzinsaufwendungen in der Steuererklärung abgezogen werden können. Sollte die Vorlage gleichwohl scheitern, erwägt die SVP-Fraktion, einen Vorstoss einzureichen, der darauf abzielt, dass der Eigenmietwert wenigstens bei Rentnerinnen und Rentnern abgeschafft werden soll. Viele von ihnen haben die Hypothek abbezahlt; das fiktive Einkommen des Eigenmietwerts belastet diese steuerlich teilweise stark.

Hans Egloff (H.E.):In diesem Zusammenhang sei an die sogenannten "Zwillingsinitiativen" des HEV Schweiz aus dem Jahr 2007 erinnert. Mit der eidgenössischen Volksinitiative "Eigene vier Wände dank Bausparen" sollte das Bausparen steuerlich attraktiver gemacht werden, während mit der eidgenössischen Volksinitiative "Sicheres Wohnen im Alter" ein ähnliches Ziel anvisiert wurde, wie Thomas Matter es geschildert hat: Ab Erreichen des AHV-Alters hätten Hauseigentümer die einmalige Wahlmöglichkeit haben sollen, entweder am System der Eigenmietwertbesteuerung festzuhalten oder aber sich gegen die Besteuerung des Eigenmietwertes zu entscheiden. Hätten sie sich für Letzteres entschieden, hätten sie im Gegenzug allerdings weniger Kosten für das Eigenheim vom steuerbaren Einkommen abziehen können. Beide Initiativen wurden allerdings 2012 abgelehnt.

Von aussen betrachtet kann man sich gelegentlich des Eindruckes nicht erwehren, dass das Parlament vor den eidgenössischen Gesamterneuerungswahlen im nächsten Jahr das "heisse Eisen" der Abschaffung des Eigenmietwertes am liebsten gar nicht anfassen möchte.

T.M.: Angesichts der Verzögerungstaktiken, die angewendet werden, ist dieser Eindruck sicherlich nicht ganz falsch. Ich habe hin und wieder jedenfalls auch den Eindruck, dass die Vorlage absichtlich überladen wird, damit sie am Ende Schiffbruch erleidet.

Themawechsel. Thomas Matter, Sie sind im Co-Präsidium des Initiativkomitees der eidgenössischen Volksinitiative "200 Franken sind genug! (SRG-Initiative)", die während der Sommersession lanciert worden ist. Worum geht es, und inwiefern sind Hauseigentümer davon betroffen?

T.M.: Der Titel der Initiative bringt bereits zum Ausdruck, worum es geht: 200 Franken Radio- und Fernsehgebühren sind genug. Mit 335 Franken pro Jahr und Haushalt sind die Zwangsgebühren für das öffentlich-rechtliche Radio und Fernsehen in der Schweiz aktuell weltweit am höchsten. Stossend ist ebenfalls, dass Unternehmen und das Gewerbe eine umsatzabhängige Gebühr zu entrichten haben. Dies, obschon alle Arbeitnehmer und Arbeitgeber schon als Privatpersonen die Abgabe zahlen. Diese Doppelbesteuerung will die Initiative abschaffen. Indem die SRG-Gebühr für alle Privathaushalte auf 200 Franken beschränkt werden soll, profitieren auch Hauseigentümer.

In der Sommersession wurden ferner auch einige energiepolitische Vorlagen beraten. So hat der Nationalrat etwa dem indirekten Gegenvorschlag zur sogenannten "Gletscherinitiative" zugestimmt. Worum geht es hier?

T.M.: Im Unterschied zur Initiative, die in der Verfassung unter anderem ein Verbot von fossilen Treib- und Brennstoffen ab 2050 festschreiben will, sollen mit dem indirekten Gegenvorschlag auf dem Weg zu "Netto Null" bis 2050 konkrete Zwischenziele für die Bereiche Industrie, Verkehr und Gebäude im Gesetz verankert werden.

H.E.: Dabei soll insbesondere einmal mehr der Gebäudepark in die Pflicht genommen werden. So soll der Gebäudebereich die CO2-Emissionen bis 2040 gegenüber 1990 absolut um 82 Prozent senken. Die stetig schärferen Vorschriften vermögen jedoch nicht zu kaschieren, dass der Gebäudebereich bereits jetzt auf Kurs ist. Aktuelle Zahlen des Bundes zeigen, dass der Gebäudesektor 2020 gegenüber 1990 die Emissionen absolut bereits um markante 39 Prozent gesenkt hat. Dies notabene bei einem Bevölkerungswachstum seit 1990 von rund 29 Prozent. Pro Kopf sind die CO2-Emissionen im Gebäudebereich seit 1990 folglich um rund 53 Prozent gesunken. Diese Zahlen belegen eindrücklich, dass Hauseigentümer bereits sehr viel machen für die Umwelt und das Klima.

Wie stellt sich die SVP zur Initiative und zum Gegenvorschlag?

T.M: Die SVP lehnt beides ab. Wie Hans Egloff aufgezeigt hat, hat die Schweiz in der Klimapolitik bereits viel erreicht. So hat sie 2020 die Treibhausgas-Emissionen gegenüber 1990 absolut um 19 Prozent und – berücksichtigt man das Bevölkerungswachstum von beinahe 2 Millionen Menschen im selben Zeitraum – pro Kopf um 37 Prozent gesenkt. Ein Bevölkerungswachstum, das im Übrigen nahezu präzedenzlos ist. Zum Vergleich: Während hierzulande die Bevölkerung seit 1990 um rund 29 Prozent gewachsen ist, ist sie in Deutschland im selben Zeitraum lediglich um rund 4 Prozent gewachsen. Oder schauen wir nach Österreich, das ungefähr gleich viele Einwohner hat wie die Schweiz, aber doppelt so gross ist. Eine weitere interessante Kennzahl: Während die Schweiz in den letzten 30 Jahren ihre Emissionen senken konnte, nahm der globale CO2-Ausstoss um 53 Prozent zu. Demgegenüber hat die Schweiz viele der Auflagen erfüllt, zu denen sie sich verpflichtet hat – und zwar sowohl absolut als auch und insbesondere pro Kopf betrachtet. Die SVP stellt sich angesichts dessen auf den Standpunkt, dass das Problem an der Wurzel gelöst werden sollte: beim Bevölkerungswachstum. Da die Politik diesbezüglich nur im Inland Einfluss nehmen kann, braucht es Massnahmen in der Schweiz, um die Probleme, die mit dem Bevölkerungswachstum einhergehen, zu lösen.

Von welchen Problemen ist die Rede?

T.M.: Zum Beispiel das verdichtete Bauen, das eine Konsequenz des Bevölkerungswachstums ist. Um verdichtet zu bauen, braucht es viel Zement, dessen Produktion CO2-intensiv ist. Insbesondere die Städte sehen sich des Weiteren im Sommer mit dem Phänomen des Hitzeinseleffekts konfrontiert, da immer mehr zubetoniert wird, um die wachsende Bevölkerung zu absorbieren. Ferner leidet die Biodiversität, während Infrastrukturen wie Schienen, Rollmaterial und Strassen kurz vor dem Kollaps stehen. Wenn die Politik also etwas für die Natur, die Umwelt und das Klima tun möchte, dann braucht es aus Sicht der SVP Massnahmen, um das Bevölkerungswachstum in der Schweiz in den Griff zu bekommen. Dieser Aspekt des Problems ist für die Grünen und die SP jedoch ein Tabuthema.

Im Zusammenhang mit Energie- und Klimathemen steht offenbar auch eine Neuauflage des CO2-Gesetzes zur Debatte, das im Juni 2021 vom Souverän abgelehnt wurde. Was ist hier der aktuelle Stand?

H.E.: Dazu wird momentan eine Vernehmlassung durchgeführt. Spruchreif ist daher noch nichts.

T.M.: Bereits aber finden dazu politische Spielchen statt. Vor kurzem kursierte in den Medien eine Umfrage, nach der sich angeblich über 70 Prozent der Befragten für eine Flugticketabgabe aussprechen sollen. Offenbar soll mit Umfragen gezielt der Boden bereitet werden, um einzelnen Elementen des abgelehnten CO2-Gesetzes scheibchenweise doch noch zum Durchbruch zu verhelfen.

Herr Matter, Herr Egloff, ich danke Ihnen für das Gespräch.

ZUR PERSON

Thomas Matter, *1966, aufgewachsen in Sissach, Kanton Baselland, ist verheiratet, Vater von vier Töchtern und lebt in Meilen. Er ist Mitglied der Parteileitung der SVP Kanton Zürich und der SVP Schweiz. Matter gilt als "Vater" der eidgenössischen Volksinitiative "200 Franken sind genug!" – der sogenannten "SRG-Initiative". Der Unterschriftenbogen ist zu finden unter: srg-initiative.ch. Thomas Matter ist Verwaltungsratspräsident der Neuen Helvetischen Bank und der Matter Group.