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«Ein Spaziergang wird es bestimmt nicht - aber diese Abstimmung ist zu gewinnen»

21.10.2021 Reto Vasella

Erfreuliche Neuigkeiten aus Bern: Mit der Abschaffung des Eigenmietwerts dürfte es endlich vorwärtsgehen - im Ständerat hat dieses Geschäft in der vergangenen Herbstsession eine äusserst wichtige Hürde genommen. Darüber und über weitere hauseigentümerrelevante Themen diskutierten Hans Egloff, Präsident HEV Kanton Zürich und HEV Schweiz, und die Thurgauer Ständerätin Brigitte Häberli (Die Mitte).

Bei der Abschaffung des Eigenmietwerts scheint sich tatsächlich eine gewisse Dynamik entwickelt zu haben: Der Ständerat hat in dieser Session der Gesetzesrevision klar zugestimmt. Jetzt nimmt aber für mich doch eher überraschend die bürgerliche «NZZ am Sonntag» in einem Meinungsartikel pointiert Stellung gegen dessen Abschaffung. Was läuft hier falsch?

Brigitte Häberli (BH): Den Text habe ich mit grossem Erstaunen zur Kenntnis genommen. Da irrt sich die NZZaS aber gewaltig, denn sie verkennt komplett die Situation, wie sie sich in der Schweiz realistisch darstellt. Der HEV vertritt mit rund 350’000 Mitgliedern vor allem Personen, die in ihrem Eigenheim leben, das sie sich zu einem grossen Teil angespart und dadurch gleichzeitig auf vieles verzichtet haben. Wenn diese Personen nun älter werden, schon länger in ihren Liegenschaften leben und die grossen Investitionen getätigt haben, leiden sie genau dann immer stärker darunter, wenn auf ihrer Steuererkläung dieser fiktive Steuerwert – sprich: der Eigenmietwert - weit oben bei den Einkünften erscheint. Leider müssen wir feststellen, dass gerade viele unserer älteren Mitglieder durch diese steuerlichen Belastungen an ihre finanziellen Grenzen stossen und gezwungen werden, ihre Liegenschaften zu verkaufen. Diese Situation halte ich für äusserst bedenklich und unhaltbar. Umso wichtiger ist, dass der Ständerat als Erstrat dieser parlamentarischen Initiative nun zugestimmt hat.

Ich selbst habe den Eindruck, dass im Parlament schon seit einer gefühlten Ewigkeit über die Abschaffung des Eigenmietwerts diskutiert wird. Es heisst dann jeweils, jetzt sei endlich ein Entscheid gefallen und dessen Abschaffung stehe unmittelbar bevor. Schliesslich wird das Geschäft aber lediglich wieder zwischen beiden Räten und deren Kommissionen hin- und hergeschoben und am Ende passiert: nichts.

BH: Diesen Eindruck kann man durchaus bekommen, doch sind es unsere politischen Abläufe, die diese Vorgehensweise bestimmen. Eigentlicher Auslöser, dass die Abschaffung des Eigenmietwerts jetzt überhaupt im Rat behandelt wird, war die im Jahr 2016 vom HEV mit über 140’000 Unterschriften eingereichte Petition. Der Weg durch die beiden Räte und ihre Kommissionen plus die Anhörung des Bundesrates benötigen einfach sehr viel Zeit. In der Schweiz haben wir eine Gesetzgebung, die lange dauert, dafür aber ist der Prozess äusserst sorgfältig.

Hans Egloff (HE): Im Vergleich zu früheren Vorstössen in dieser Sache ist der Zeithorizont doch sehr überschaubar. Im Idealfall könnte das Geschäft bereits in der kommenden Wintersession, sonst aber in der Frühlingssession fertig beraten und verabschiedet werden. 

Die Ausführungen von Frau Häberli kann ich vollumfänglich bestätigen. Zudem möchte ich sie noch folgendermassen ergänzen: Als HEV-Präsident nehme ich an sehr vielen Sektionsveranstaltungen teil, und das alles dominierende Thema ist jeweils ausnahmslos die Forderung nach der Abschaffung des Eigenmietwerts. Es ist nun mal eine Tatsache, dass der Eigenmietwert ungerecht und eine grosse Belastung für alle ist. Jetzt muss es vorwärtsgehen! Natürlich könnte man den Vorschlag des Ständerats inhaltlich noch verbessern. Doch wichtig ist das Ergebnis und dieses heisst am Schluss konkret: der Eigenmietwert ist abgeschafft. Das hat natürlich einen Preis, den wir zu bezahlen bereit sein müssen. Verbesserungen können noch immer später angebracht werden. Jetzt muss die Hauptintention ausschliesslich dessen Abschaffung sein und alle, die nun mit irgendwelchen Sonderwünschen kommen, verhalten sich kontraproduktiv und schaden der Sache. 

BH: Der Grundsatz «Systemänderung bei der Eigentumsbesteuerung», wie das Geschäft vollständig heisst, ist entscheidend. Die Geschichte lehrt uns, zuerst diese Systemänderung durchzubringen, Anpassungen können später noch kommen. Mit unserer pragmatischen und unaufgeregten Vorgehensweise und unseren guten Argumenten ist es jetzt gelungen, im Ständerat eine Mehrheit zu finden. Ich bin überzeugt, dass wir damit auch im Zweitrat reüssieren werden. Das klare und alleinige Ziel ist die Systemänderung.

Sollte das Geschäft beide Räten erfolgreich passieren, ist mit grösstmöglicher Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass von linker Seite das Referendum dagegen ergriffen und am Ende eine Volksabstimmung entscheiden wird 

BH: Davon ist auszugehen. Doch wir scheuen diese Diskussionen und den Abstimmungskampf nicht, denn die guten Argumente sind auf unserer Seite. Natürlich dürfte es kein Spaziergang werden, aber ich bin fest davon überzeugt, dass wir eine solche Abstimmung gewinnen werden. 

Nach dem Ständerat hat jetzt auch der Nationalrat der Einführung einer obligatorischen nationalen Erdbebenversicherung zugestimmt. Weshalb ist der HEV dagegen?

HE: Im Kanton Zürich sind wir in der privilegierten Situation, dass wir im Zusammenhang mit der GVZ bereits eine Art Erdbebenversicherung mit einem gut gefüllten Topf haben, für den wir nicht einmal mehr etwas bezahlen müssen. In Bern ist es ein Evergreen, dass vor allem die Basler und Walliser Parlamentarier in schöner Regelmässigkeit - insbesondere vor anstehenden Wahlen - das Thema nationale Erdbebenversicherung wieder auf den Tisch bringen. Dieses läuft dann jeweils unter dem Titel «Solidarität», was bedeutet, die gesamte Schweiz soll für ein potentielles Problem bezahlen, das eigentlich nur wenige Regionen betreffen würde. Interessant dabei ist, dass im Kanton Wallis nicht einmal eine obligatorische Gebäudeversicherung existiert. Überspitzt gesagt heisst das: Eine Gebäudeversicherung brauchen die Walliser auch gar nicht erst, denn dafür haben sie ja die «Glückskette»… 

Eine obligatorische nationale Erdbebenversicherung ist schlichtweg keine gute Lösung. Ich wehre mich dagegen, dass am Ende des Tages die privaten Versicherer zu Lasten der Hauseigentümer einfach auch noch etwas Geld verdienen möchten.

BH: Dem kann ich nur beipflichten. Bedauerlicherweise hat die neue Variante einer Erdbebenversicherung im Parlament jetzt eine Mehrheit gefunden. Ich habe leider vergeblich dagegengehalten, denn die Einführung einer solchen Versicherung sollte den einzelnen Kantonen überlassen werden. Als Standesvertreterin wehre ich mich gegen jeglichen Zwang, der über das ganze Land gelegt werden soll. Falls es in der Schweiz tatsächlich zu einem schweren Erdbeben käme, was wir natürlich alle nicht hoffen, würde eine solche Versicherung bei Weitem nicht ausreichen. Dann befänden wir uns wieder in einer ausserordentlichen Lage - analog zur Covid-Pandemie - die besondere Mittel des Bundes erfordern würde.

Der Nationalrat diskutiert gerade heute noch über das weitere Vorgehen nach dem Nein zum CO2-Gesetz. Ziel ist, eine Übergangsvorlage aufzugleisen, bevor dann laut Plan ab 2025 ein rundum erneuertes Gesetz für den künftigen Klimaschutz in Kraft treten soll, welches der Bundesrat noch bis Ende Jahr vorstellen wird.

BH: Hier gilt zuerst einmal festzuhalten: Die Abstimmung von vergangenem Juni war eindeutig, das neue CO2-Gesetz wurde abgelehnt. Punkt.

HE: Genau, und das ist die absolut allerwichtigste Erkenntnis daraus. Der Hauseigentümerverband hatte das Referendum ergriffen und die Abstimmung gewonnen. Für jegliche weiteren Diskussionen bedeutet das, der HEV muss mit am Tisch sitzen, wenn es darum geht, Lösungen in dieser Sache zu finden. Die Hauseigentümer müssen solche Lösungen mittragen und das beginnt damit, dass auch endlich anerkannt wird, welche Leistungen sie bisher schon alles erbracht haben. Betrachtet man die Absenkung des CO2-Ausstosses, ist der Gebäudebereich der eigentliche Musterknabe. Bis 2050 werden wir voraussichtlich das Ziel ohne weitere Vorgaben erreichen. Das muss man endlich anerkennen und uns nicht permanent neue Lasten aufbürden. Allenfalls könnte man nach vernünftigen Anreizen suchen, welche die Hauseigentümer noch stärker dazu bewegen, freiwillig mitzumachen.

Was für eine Rolle spielt in diesem Zusammenhang die Abstimmung von Ende November über das Energiegesetz im Kanton Zürich, gegen das der HEV Kanton Zürich das Referendum ergriffen hat?

HE: Dieses Energiegesetz im Kanton ZH würde sogar noch einen grossen Schritt weiter gehen, indem es ein Technologieverbot beinhaltet. Bei Annahme des Gesetzes wären in Zukunft alle fossilen Heizsysteme verboten und es würden massive Mehrkosten auf die Hauseigentümer zukommen. Doch auch Mieter wären zum Teil von markanten Mehrkosten betroffen und als weitere Konsequenz käme es zudem zu Leerkündigungen aufgrund von energetischen Sanierungen. Dieses Energiegesetz im Kanton Zürich bedeutet die Einführung des CO2-Gesetzes durch die HIntertür - einfach noch viel schlimmer.

BH: Dieses Gesetz im Kanton Zürich ist eine verstärkte Version der eidgenössischen Vorlage. Deshalb bin ich auch sehr gespannt, wie das Resultat dieser Abstimmung ausfallen wird.

Frau Häberli, Herr Egloff, ich danke Ihnen für das Gespräch.

 

 

Zur Person

Brigitte Häberli

*1958 in Wetzikon (ZH), ist verheiratet, hat drei erwachsene Kinder und lebt mit ihrem Mann in Bichelsee-Balterswil (TG). Seit 2011 ist Brigitta Häberli Ständerätin für den Kanton Thurgau. Zuvor war sie bereits acht Jahre Nationalrätin und bis 2003 Kantonsrätin. Sie ist Mitglied der «Die Mitte» (ehem. CVP). Zudem ist Brigitte Häberli Vizepräsidentin des Hauseigentümerverbandes Schweiz.